Elektronische Sichtungsgeräte statt Patientenanhängekarten, modernste Software statt Kladden und Handnotizen – die Berufsfeuerwehr Gelsenkirchen plant einen wichtigen Schritt in ihrer Digitalisierungsstrategie: Getestet wird das elektronische System RescueWave, mit dem sich Einsatz- und Führungskräfte bei Großschadenslagen einen besseren Überblick der Lage verschaffen, Betroffene gesichtet und letztendlich Verletzte schneller versorgt werden können. Alle Daten werden digital erfasst, damit die Einsatzverantwortlichen zu jeder Zeit die aktuelle Zahl der Betroffenen, die Schwere der Verletzungen sowie den Transportstatus in die Kliniken im Blick haben.
„Unser Ziel ist es, zukünftig die Potentiale neuer Technologien auch im Einsatz zu nutzen“, sagt Dr. Kirstin Eisenhauer, Abteilungsleiterin Technische Dienste bei der Berufsfeuerwehr Gelsenkirchen. Großschadenslagen – also Massenkarambolagen oder Zugunglücke – stellen für Einsatz- und Führungskräfte immer eine enorme Herausforderung dar. In der ersten Phase solcher Einsätze ist es wichtig, sich schnell einen Überblick darüber zu verschaffen, wie viele Menschen betroffen sind, wo sich diese befinden und wie das Ausmaß der individuellen Verletzungen ist. Es gilt nun, die chaotische Lage so schnell wie möglich zu erkunden und zu beurteilen. Umgehend müssen die notwendigen Maßnahmen eingeleitet werden – basierend auf der Entscheidung, welche Patienten priorisiert versorgt und als erstes transportiert werden müssen.
„Im Rahmen des Pilotprojekts prüfen wir, inwieweit die üblichen Patientenanhängekarten durch die neue Technologie sinnvoll ersetzt werden kann“, so Eisenhauer. „Wir verfolgen damit das Ziel, die Sichtung und die Versorgung der Verletzten zu beschleunigen und schneller ein aussagekräftiges Lagebild, auch an unübersichtlichen Einsatzstellen, erhalten zu können. So könnten wir wertvolle Zeit sparen.“
Und so funktioniert die Unterstützung durch RescueWave an der Einsatzstelle: Bei einer Großschadenslage hängen die ersteintreffenden Einsatzkräfte den Geschädigten je ein Sichtungsgerät (RescueNode) um und schalten es ein. Sofort sind die Betroffenen registriert, ihr Standort wird drahtlos an die Einsatzführungssoftware übertragen. Danach erfolgt die Sichtung der Patienten: Der Drehschalter am Gerät wird je nach Sichtungskategorie auf die entsprechende Position gestellt. In Echtzeit können Ärzte, Einsatz- und Abschnittsleiter auf Tablets und im Einsatzleitwagen sehen, wo es wie viele Betroffene und Verletzte welcher Sichtungskategorie gibt. Die Verantwortlichen des Einsatzes wissen nun genau, wer priorisiert behandelt werden muss und, dank GPS-Lokalisierung, wo genau sich die Personen befinden.
Die Führungskräfte überblicken die aktuelle Zahl der Betroffenen, deren momentane Sichtungskategorien und den Transportstatus; so kann die dynamische Lageentwicklung verfolgt werden. Automatisch erstellte Statistiken werden laufend aktualisiert, mit wenigen Klicks können die Verletzten auf Rettungsmittel und Kliniken zugeteilt werden. Medizinische Erstmaßnahmen werden dokumentiert, Transport- und Suchdienstinformationen aufgenommen. Einsatzkräfte können also schneller die wichtigen Entscheidungen treffen und Maßnahmen in die Wege leiten. Das speziell für RescueWave entwickelte Funknetz baut sich ad hoc auf, ist autark von anderen Netzen und resilient bei abgelegenen Lagen sowie beim Ausfall normaler Kommunikationswege wie zum Beispiel Mobilfunk. Die Führungskräfte erhalten während des gesamten Einsatzes die aktuellsten Daten.
Zum Start des Pilotprojekts wurden die beiden Einsatzleitwagen mit den technischen Komponenten des RescueWave-Systems ausgestattet. Zum Lieferumfang gehören außerdem 40 elektronische Sichtungsgeräte, vier Tablets und Ausbildungen am System, bestehend aus Präsenz- und E-Learning-Schulungen. „Wir planen umfangreiche Schulungen und Erprobungen im Rahmen der 30-Stunden-Fortbildung 2020“, so Daniel Hüwe, stellvertretender Referatsleiter bei der Feuerwehr Gelsenkirchen. „Im Rahmen einer Verwaltung 4.0 wollen wir bestehende Prozesse im Aufgabenspektrum der Feuerwehr und des Rettungsdiensts digitalisieren und so einen Mehrwert generieren.“
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